Die Protagonisten eines Kinderfilms sind üblicherweise Identifikationsfiguren, die den jungen Zuschauerinnen und Zuschauern Möglichkeiten aufzeigen, sich zu verändern. Sie können dadurch Gut und Böse unterscheiden lernen und sich Perspektiven für ihre Kinderwelt erarbeiten.
Das Böse im Bürgermeister und der Lehrerin
Der tschechische Kinderfilm ‚Der blaue Tiger’ zeigt dies auf dem Hintergrund von Veränderungen in einer Stadt auf. Durch den Bau eines neuen Gebäudekomplexes muss ein alter botanischer Garten weichen. Dem kleinen Mädchen Johanna und ihrem besten Freund Mathias droht damit der Verlust ihres Zuhauses, denn sie leben in dieser skurrilen, fantasie- und liebevollen Welt ein reiches Innen- und eher armes äußeres Leben. Die beiden Kinder stehen für das Gute, während der Bürgermeister Nörgel und die Lehrerin Drachenfels die Welt des Bösen repräsentieren.
Folgt man dem Blick des Kameramanns Klaus Fuxjager, zeigt er die beiden kleinen Helden Johanna und Mathias in Nahaufnahmen mit liebevollen, manchmal traurigen, gelegentlich wütenden Augen. Die Beleuchtung der Gesichter ist warm. Im Gegenteil dazu arbeitet die Kamera das Gesicht des Bürgermeisters Nörgel in kaltem Licht aus, die Mimik zeigt Gier und Bösartigkeit. Ganz anders die mit einer Missbrauchsgeschichte belastete Lehrerin Drachenfels. Hier wird die an Übermacht gewohnte Frau aus einer Kameraperspektive gezeigt, die ihre Drohgebärden und -reden betonen.
Das Gute siegt märchenhaft
Die Dialoge zeigen an zentralen Stellen des Films den Gegensatz von Gut und Böse. So ist die hasserfüllte Rede des Bürgermeisters zum mittlerweile eingesperrten blauen Tiger:
„Wir stecken dich in eine Glasvitrine und stellen dich im Stadtzentrum aus. Lebendig? Nein, ausgestopft!”
Als sich am Ende die Geschichte märchenhaft auflöst, steht die kleine Johanna am Strand einer fantastisch-wundersamen Meeresinsel keinem anderen als dem blauen Tiger gegenüber. Sie schaut ihn lang und liebevoll an und verabschiedet sich mit dem Satz: „Schön, dich zu sehen, Tiger!”